Der Däumling wird riesig

Hans Werner Henzes Pollicino und ein vielfaches Jubiläum

  „Wenn die Kinder schauspielern, singen und musizieren, erzeugen und hören sie Klänge, denen sie später wieder begegnen werden, in Konzertsälen, hoffentlich auch in Opernhäusern: Klänge unserer Zeit. Musizierend und singend akzeptieren sie, was andere als ungewohnte Töne empfinden, als eine natürliche Tatsache, als einen Teil  unserer Realität.”
(Hans Werner Henze)

Im Laufe seines Lebens hat sich Hans Werner Henze immer für jene Menschen eingesetzt, die ihm unterprivilegiert erschienen. Damit meinte er nicht jene „Armen”, die es wohl in jeder Gesellschaft gibt und die von entsprechenden Institutionen aufgefangen werden. Sondern vielmehr solche, denen es aufgrund sozialer Schieflagen nicht möglich war, ihre tatsächlichen Fähigkeiten zu entfalten, ihrem Streben nach Bildung, Wissen, künstlerische Betätigung zufriedenstellend nachzukommen.

Neuss zu Gast in der Toskana

Pollicino, 1980 in Montepulciano im Rahmen des „Cantiere internazionale d‘arte di Montepulciano“ uraufgeführt, fasziniert seitdem die Kinder- und Jugendopernszene weltweit.
Aus „Le petit poucet“ (der kleine Däumling) und „Hänsel und Gretel“ hat Giuseppe di Leva zur farbenreichen Musik von Hans Werner Henze einatmosphärisch dichtes Libretto fokussiert.
Ein bitterarmes Holzfällerpaar setzt seine sieben Söhne im Wald aus. Eines der Kinder – Pollicino – findet zunächst den Weg nach Hause wieder. Beim zweiten Mal verirren sich die Kinder und treffen auf Waldtiere, die sie zu einem bewohnten Haus schicken. Leider ist es das Haus des Menschenfressers Fürchterlich, der sich über diese unerwartete „Beute“ freut. Aber die sieben Söhne freunden sich mit den sieben Töchtern desMenschenfressers und seiner kinderlieben Frau, der Riesin“, an. Clotilde – eine der Töchter – und Pollicino verlieben sich und gemeinsam gelingt ihnen die Flucht.
Mit der Produktion der Oper „Pollicino“, der Märchenoper für und mit Kindern und Jugendlichen von Hans Werner Henze, geht das Team von Musikschule und Alte Post ungewohnte Wege. Einmal wird ein neues musikalisches Genre ausprobiert, zum anderen aber auch mit einemdeutlich jüngeren Ensemble zwischen 9 und 17 Jahren gearbeitet. Damit wird erstmalig auch das Gebiet der vorberuflichen Orientierung bzw.der Studienvorbereitung innerhalb des darstellenden Ensembles verlassen. Welcher Ruf der inzwischen zehnjährigen Zusammenarbeit der beiden Neusser Kulturinstitute vorauseilt, zeigt die Einladung ins toskanische Montepulciano, wo im Teatro Poliziano im Rahmen des internationalen professionellen Musikfestivals 2006 zwei Aufführungen stattfinden werden (16./17.9.). Dies ist insbesondere eine Ehre, weil dort 1980 das Werk uraufgeführt wurde.

Die Mitwirkenden

Die Darsteller 

Paula Büttner, Anna Chernomordik, Laura Anna Fischer, Laura Freytag, Sophia Fürtjes, Alissa Götzinger, Freya Grothe, Lena-Maria Kramer, Joshua Linden, Birte Loose, Inken Loose, Kirill Malzev, Johanna Maxeiner, Birgit Meyer, Marvin Felix Pahlke, Kai Puschmann, Juan Prats, Karima Rösgen, David Schatzl, Moritz Schner, Pia Schwarz, Lea Sikau, Charlotte Simon, Matthias Sprekelmeyer, Laura Trommer, Eva Vobis, Michel Vobis, Martha Wanat, Charlotte Wittig

Die Musiker

Isa Bettermann, Teresa Bönsch, Karoline Büldt, Martin Buscher, Birte Gnaegy, Corinna Hentschel, Simone Hentschel, Alexander Holle, Karina Kalinowski, Deborah Keser, Christina Krajewski, Swantje Loose, Uta Loose, Vanessa Meslage, Philipp Niehues, Ruben Peixoto Claro, Moritz Rönneper, Mariana Roos, Martin Schnürch, Romina Siffert, Kira Sprick, Clara Tomas, Cornelius Uerlichs, Charlotte von Schönfeld, Utako Washio, Yannick Weber, Stefan Wienken, Jan Zimmermann

„Ach Sie fragen nach dem Weltbild? Das ist Hollywoodlich, wie vermutlich“.

Chicago in den 20erJahren. In Bills Ballhaus planen Gangster unter Anleitung der „Fliege“, einer berüchtigten Gangster-Lady, einen Banküberfall. Auf sie trifft Lilian Holiday mit einem ihr anvertrauten Stoßtrupp der Chicagoer Heilsarmee, um die Verbrecher auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Lilian, von Eifer gepackt, trinkt ein Glas zuviel des angebotenen Whiskys, während Bill, der Chef der Bande, mit ihr anbändelt. Daraufhin muss Lilian die Heilsarmee verlassen. Die „Fliege“versucht Bill aus dem Verkehr zu ziehen…

„Und das ganze endet happyendlich – Selbstverständlich“. Die Frage ist nur für wen, und zu welchem Preis?

Am 31. August 1928 errangen Bertold Brecht und Kurt Weill im Berliner Theater am Schiffbauerdamm einen Erfolg, wie ihn die musikalische Welt seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte: Ihre gemeinsame „Aktualisierung” der englischen Beggar’s Opera von John Gay und Christoph Pepusch wurde als Dreigroschenoper zu einem Triumph, der sich praktisch bis heute überall wiederholt, wo die pfiffige Musik mit den frechen Texten erklingt.

War es da ein Wunder, daß das Autorengespann den Vorgang möglichst bald wiederholen wollte? So links kann vermutlich gar kein Herz schlagen, daß es vor der rechten Menge Goldes nicht kapitulierte…

Die Mitwirkenden

Die Darsteller

Lilian Holiday: Vanessa Harbrecht
Bill Cracker: Falk Grossmann
Sam Worlitzer: Arlen Konietz
Jimmy Dexter: Fabian Koglin
Bob Merker: Ralf Steigels
Jonny Flint: Stephan Koch
Der Governor: Tim Peltner
Die Dame in Grau: Karolin Stern
Major: Claudia Schäfer
Bruder Hanibal: Dennis Palmen
Schwester Mary: Franka Johanna Schrörs
Schwester Jane: Suanne Lemke
Fremder / Engel: Sven Tillmann
Fremder: Dennis Palmen / Alkan Kara
Kommissar: Nadim Hussain
Polizist: Sean Raschke

Die Musiker

Sebastian Heinen, Markus Hüsemann, Jens Thomé, Sabrina Karmes, Jens Oerding, Joachim Borkmann

Die Handlung

In einer Höhle werden die Kinder Rick, Ron und Ruthie Taylor von “Bat Boy” angefallen, einer Mischung aus Fledermaus und Junge. Bat Boy wird gefangen und dem Tierarzt Dr. Parker übergeben, damit er ihn einschläfert. Parkers Frau Meredith jedoch hat Mitleid mit dem armen Wesen und bittet ihren Gatten, Bat Boy in der Familie aufwachsen zu lassen. Dr. Parker willigt ein – in der Hoffnung, in die reichlich zerrüttete Ehe möge die frühere Harmonie und Leidenschaft zurückkehren.

So erhält Bat Boy bei den Parkers daheim Unterricht und lernt Englisch von BBC-Kassetten. Sein erstklassiges Benehmen wird nur hin und wieder von schwer zu unterdrückenden Anfällen von Blutgier getrübt. Nicht zuletzt Parkers Tochter Shelley beobachtet Bat Boys Wandlung von einem gruseligen Haustier zum stattlichen jungen Mann mit Wohlwollen.

Allerdings: Das Haus verlassen darf Bat Boy mit seinem ungewöhnlichen Erscheinen nicht. Als im Dorf, das von einem mysteriösen Rindersterben heimgesucht wird, eine religiöse Erweckungszeremonie gefeiert werden soll, begehrt Bat Boy auf. Er will sich nicht länger wegschließen lassen und zeigt sich der Menge. Der anfängliche Schrecken wandelt sich schnell in ein allgemeines Freudenfest – bis Dr. Parker erscheint und verkündet, Bat Boys Biss habe Ruthie Taylor getötet. Eine Hetzjagd beginnt. Bat Boy flieht mit Shelley in den Wald, wird aber schließlich gestellt. Um ihn zu retten, enthüllt Meredith Parker widerstrebend ihr schreckliches Geheimnis um Bat Boys Herkunft – aber es ist zu spät, um den blutigen Showdown noch abzuwenden.

Die Mitwirkenden

Darsteller

Bat Boy Fabian Haupt
Meredith Parker Birgit Meyer
Dr. Thomas Parker, ihr Mann Steffen Bürger
Shelley Parker, deren Tochter Marie Jensen
Sherrif Reynolds Felix Neugart
Rick Taylor und weitere Rollen Alexander Wanat
Ron Taylor und weitere Rollen Markus Schner
Ruthy Taylor und weitere Rollen Enoh Meuten
Mrs. Taylor und weitere Rollen Daniela Rothhausen
Bud/Daisy Victoria Just
Padre Alvaro Rodriguez Sergio Abajur
sein Übersetzer Anderson de Oliveira
Pan Sergio Abajur
Pans Stimme Edwin Schulz
Leuchtkäfer Gayana Hakobyan
Ziegenbock Tamara Jäger
Leuchtkäfer Stefanie Lenz
Frosch Enoh Meuten
Kuh Natalie Zietek
Zebra Victoria Just
Katze Anderson de Oliveira
Löwe Daniela Rothhausen
Katze Luisa Charlotte Schulz
Katze Marie Jensen
Taube Alexander Wanat
Eisbär Markus Schner
Affe Felix Neugart
junger Parker Leon Werner
junge Meredith Luisa-Charlotte Schulz

Die Musiker

Flöte Norina Bitta
Klarinette Maximilian Hogeweg
Horn Elisabeth Rentzel
Trompete 1 Jens Örding
Trompete 2 Clemens Seel
Posaune Markus Hüsemann
Violine Swantje Loose
Violine Theresa Krehn
Viola Hannah Nehrig
Violoncello Julia Wasmud
Keyboard Ruben Peixoto Claro
Gitarre Peter Damaschke
Gitarre Matthias Hübscher
Bass Michael Urbatzka
Schlagzeug Andreas Huck

Opern-Proben gehen in die Schlussphase

„Bitte noch einmal zurück zur Stelle 155. Und Hinweis an den Chor: bitte sicher und kraftvoll einsetzen“, sagt Reinhard Knoll heiser. Die Stimme hat ihn ein wenig verlassen, aber Geduld und Humor sind noch vollständig da. Der Leiter der Musikschule Neuss dirigiert mit ansteckender Freude im Romaneum das Orchester und nun auch den Chor der Opernproduktion „Die drei Rätsel“. Haben die die Musiker und Sänger bislang getrennt voneinander geprobt, fließt nun alles konzentriert zusammen.

Probe im Romaneum

Probe im Romaneum

An manchen Stellen galoppieren die Instrumente davon, an anderen „hängt“ ein Solist und findet den Ton für seinen Einsatz nicht. Hier und da ist noch Feinarbeit nötig, andere Passagen klingen bereits sehr stimmig. Bis zur Premiere am 22. September um 20 Uhr im Globe-Theater wird alles passen, da sind sich die rund 60 Akteure einig. Dem Publikum wollen sie eine zeitgenössische Oper für Kinder und Erwachsene von Detlev Glanert präsentieren, die musikalisch anspruchsvoll und doch sehr eingängig ist. Inhaltlich geht es um das Erwachsenwerden und die Wahl des eigenen Lebensweges.

Vier Köpfe und ein Schädel

Die Förderer und Macher hinter der Globe-Opern-Produktion

Pressekonferenz "Die drei Rätsel"

Die Premiere naht und das Bühnenbild steht: Ein sieben Meter hoher Holzschädel dominiert das Globe-Theater während der Aufführungen der Kinder- und Erwachsenenoper „Die drei Rätsel“. Hinter dem Modell – und dem gesamten Projekt – stehen (von links) Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Michael Schmuck,  Hans Ennen (Alte Post), Reinhard Knoll (Musikschule) und Klaus Richter (Bühnenbild), hier alle mit  Bärten der „Räuber“ aus dem Stück ausgestattet.

Weiß und mächtig dominiert er das schwarze Rund des Globe-Theaters. Ein Totenschädel, sieben Meter hoch, vier Meter breit, ist das zentrale Bühnenelement bei der Kinder- und Erwachsenenoper „Die Drei Rätsel“. Am 22. September um 20 Uhr ist die Premiere – bis dahin werden die Sperrholz-Elemente montiert und frisch angestrichen sein.  „Ich wollte schon seit langer Zeit ein ganz minimalistisches Bühnenbild bauen, die Idee der Maske oder des Schädels im Globe habe ich bestimmt schon seit zehn Jahren im Kopf“, sagt Bildhauer Klaus Richter, verantwortlich für den Bereich Bildende Kunst in der Schule für Kunst und Theater der Stadt Neuss, Alte Post. Entsprechend groß war seine Freude, als Institutsleiter Hans Ennen ihn um ein ganz  reduziertes Bühnenbild für die zeitgenössische Oper bat. „Dies ist das fünfte Bühnenbild, das ich für eine Neusser Musical- oder Opernproduktion mache. Und endlich passt diese Vision ganz genau zu den Erfordernissen.“ Weiterlesen

So träumt den unmöglichen Traum

Spanien im „Siglo de Oro“, dem goldenen Zeitalter. Das Land wird beherrscht von Willkür, adeliger Arroganz und der allmächtigen Inquisition, in deren Kerkern Tausende auf ein ungewisses Schicksal warten.
Ausgerechnet in eines dieser Gefängnisse wird der Autor Cervantes gebracht, weil er es als Steuereintreiber des Königs gewagt hat, bei einem Kloster die fälligen Zahlungen einzutreiben.

Als einziges Gepäck führt er ein paar Theaterrequisiten und das Manuskript eines Theaterstücks mit sich. Zwischen ihm und dem „Herzog“, einem der führenden Mitgefangenen, entspinnt eine Diskussion über den Sinn von Dichtung und Poesie angesichts einer bedrängenden Realität. Der Herzog verurteilt jede Form von Idealismus als Verbrechen. Cervantes versucht, sein Stück vor dem Feuer zu verteidigen. Er überredet die Mitgefangenen zu einem Spiel.

Die Gefangenen schlüpfen in die Rollen eines Theaterstücks, in dem der Landjunker Quijana dem Wahn verfallen ist und als fahrender Ritter Don Quixote de la Mancha mit seinem Knappen Sancho auszieht, das Unrecht in der Welt zu besiegen. Cervantes schlüpft selbst in die Figur des „Ritters von der traurigen Gestalt“ und sein Diener spielt den Sancho.

Neben dem Kampf mit den Windmühlen und dem Bestehen anderer Abenteuer geht es auch um die Verehrung der Hure Aldonza, die den Augen von Don Quixote – sehr zum Spott und Neid der anderen Mitspieler – als Dame Dulcinea erscheint. Nach anfänglichem Misstrauen bleibt auch Aldonza nicht unberührt von der Güte und dem „sanften Wahn“ des Ritters.

Auf der anderen Seite steht die Familie des Senior Quijana, die mit allen Mitteln versucht, den Ritter in die Realität zurückzuholen. Dr. Carrasco wird gemeinsam mit dem Padre ausgeschickt, den Verblendeten von seinem Wahn zu heilen. Dies gelingt erst im zweiten Anlauf und lässt Quijana am Ende gebrochen und verwirrt zurück.
Aldonza eilt an sein Krankenbett. Ihr fehlen die Liebe und der Glaube an das Gute in Gestalt des Quixote und sie versucht gemeinsam mit Sancho, den Traum vom fahrenden Ritter wiederzubeleben. Dies gelingt für einen kurzen Moment… dann stirbt Quijana. Zurück bleibt die Ahnung von einer besseren Welt.

Die Soldaten erscheinen und wollen Cervantes abführen. Der Herzog übergibt ihm das Manuskript mit dem Hinweis, sich „da draußen“ genauso gut zu verteidigen wie gerade vor den Gefangenen. Und unter dem Zuspruch der anderen gehen Cervantes und sein Diener zum Verhör vor der Inquisition.